Reisebericht


Jackson Hole – Skifahren Nonplusultra


Veröffentlicht am 23.02.2005 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Nordamerika.
Schlagworte: Einsamkeit, Rocky Mountains, Skifahren.


Jackson Hole-1

In diesem Flugzeug von Denver nach Jackson Hole sitzen die Freaks. Die total Angefressenen, die diese Ecke Wyomings für das Nonplusultra des Skifahrens halten. Quer durch die Kabine werden die Tipps ausgetauscht, in welchem Steilhang, „bowl“ genannt, nun der beste Schnee liegt. Es ist Ende März und da kämpft auch diese Region mit den ersten Frühlingswehen. Kurz vor der Landung reißen die Wolken auf. Im letzten Abendlicht schimmert die Teton Range, als düster gewaltige Kulisse erheben sich die Felsmassive in den Himmel. Und mittendrin liegt das weite Tal des Snake River. Eine majestätische Landschaft in Amerikas mittlerem Westen, wild und atemberaubend. Im Skigebiet sind die tanzenden Scheinwerfer der Pistenraupen zu sehen, ansonsten nichts als ruhige Dunkelheit.

Am Flughafen wartet Anna. Die einzige ohne klobiges Gepäck. Nur mit einer Louis Vuitton-Tasche reist Anna, denn sie will nicht Ski fahren. Jedes Wochenende in diesem Winter ist sie nach Jackson Hole geflogen, wo es zwischen Dezember und März nicht anderes gibt als Schnee. Auch an diesem Freitag hat sie ihr Anwaltsbüro am frühen Vormittag in Philadelphia verlassen und gegen sieben Uhr abends steht sie in der westlichsten Ecke von Wyoming. Wo eigentlich in den kalten Monaten der Hund begraben ist, doch seit etlichen Jahren gehört Jackson Hole in die Oberliga der amerikanischen Skigebiete. Nun rauschen neben die Boeings 737 auch viele private Learjets ein, werden für ein paar Tage die Rollläden an den palastartigen Blockhäusern hochgezogen.

tetonlodge

j-h-6

Anna genügt der Anblick der Landschaft und deshalb verbringt sie die Wochenenden im Amangani, denn nirgendwo seien die Berge besser zu sehen. Quasi in die Bergkante des Gros Ventre Butt wurde das Hotel eingefügt und der Blick aus dem Fenster bietet das Panorama der Teton Range, ein Stück Rocky Mountains schönster Ausprägung. Unten im Tal sieht man noch das Areal der Hanson-Ranch und mehr Land darf nicht verbaut werden. Hier oben ist nichts zu sehen von der kleinen Stadt Jackson und den Skiort Teton Village. Eine Atmosphäre, die vom Hotel intensiv gepflegt wird. „Wie in einem Privathaus“, sagt Direktor Monty Brown und dass die vierzig Zimmer meist nicht ausgebucht sind, stört ihn offensichtlich nicht. Amangani verführt zum Nichtstun. Stöbern in den Büchern der Bibliothek oder sich von Maureen verwöhnen lassen. Vorsichtig legt sie die heißen Steine, die aus dem Snake River stammen, auf den Rücken und gräbt ihre Hände in die Muskeln, drückt auf die Verspannungen. Nie wieder aufstehen. Kein Gedanke an Skifahren, nirgendwo ein Lockruf verführerischer Pisten. Erst in Teton Village, Ausgangspunkt für das Jackson Hole Mountain Ressort, herrscht jener Sportsgeist, der zu den Abfahrten drängt. Wieder mal laufen die Gondeln oder Sessellifte viel zu langsam, denn ich kann es kaum erwarten, die ersten Schwünge in diesen Schnee zu ziehen.

P-03

Ein lockeres Einschwingen auf Hängen des Apres Vous Mountain und auf Quertrassen gelange ich immer weiter zum Rendezvous Mountain, jenem Bergklotz innerhalb der Teton Range, der mit seinen Steilhängen und Canyons den legendären Ruf dieses Skigebiets begründet hat. Namen wie Laramie Bowl, Cheyenne Bowl, Rendezvous Bowl, the Cirque oder Tensleep Bowl locken mit Abfahrten, wo jedes Eintauchen in die Buckel zur puren Lust wird, wo Gelände, Schnee und Beine zu einer einzigartigen Harmonie werden können. Oder es wird zu einem „Gang nach Canossa“, weil man die Länge der Abfahrten oder die Höhe der Buckel unterschätzt hat. Wer sich nach Schwindelgefühlen sehnt, fährt zum Corbet’s Couloir an der Rendezvous Bowl. Immer stehen dort Skifahrer, pressen ihr Kinn an die Brust, um in den engen Korridor schauen. Beinahe senkrecht geht es hinunter, für die ersten Meter wartet ein freier Fall zwischen Schneewechten und danach muss jeder Schwung sitzen. Die Skispitzen hängen in der Luft, wenn sich der Wagemutige abstößt oder besser „fallen lässt.“ Ein unerwarteter Frühlingseinbruch ersparte mir diese Gedanken, denn die Abfahrt war wegen Schneemangel gesperrt. Aber für die Könner liegt der „ Macho- Kick“ außerhalb der Absperrung. „Der Corbet’s Couloir bedeutet eine Minute Herzklopfen“, sagt Philipp, „aber für das „backcountry“ musst du körperlich und mental fit sein.“ Nur durch spezielle Tore gelangt man in das unpräparierte Terrain, dort liegen unzählige Nordhänge wie Cody Peak oder Four Pines. Da sind dreihundert Schwünge und mehr in unberührtem Schnee, Sprünge über Wechten, eintauchen unter Fichtenzweigen, die bei Berührung ihre weiße Last abschütteln. Viele Abfahrten enden auf der Straße des Tetonpass und dann hofft man auf einen freundlichen Menschen in einem Auto, der einen mitnimmt.

j-h-7

Wegen dieser Herausforderung jobbt Philipp in einem Skishop und seine Freundin Lindi sitzt am Empfang eines Hotels. An ihren freien Tagen gehen die zwei New Yorker ins Gelände. Wie die beiden kommen hunderte von „freeridern“ jeden Winter nach Jackson Hole, weil hier das Skifahren noch das Flair des Abenteuers besitzt. Gefährlicher und aufregender als anderswo in den Staaten. Nirgendwo sind die Abfahrten steiler.

Wenn Anfang April die Lifte schließen, dann wird es ruhig im Skigebiet Mountain Ressort, aber Pinedale Canyon oder Jensen Canyon bieten immer noch atemloses Skifahren. Mit den Brettern auf dem Rücken steigen die Freaks auf und nach der Abfahrt müssen sie stundenlang nach Hause laufen, weil nur selten ein Auto vorbei fährt. Aber es spart viele Dollars für die Lifttickets, denn Jackson Hole ist ein teueres Pflaster und die Saisonjobs in den Bars, Restaurants und Läden reichen mal gerade zum Überleben.

Vor etlichen Jahren haben die Reichen und Berühmten dieses Hochtal entdeckt. Alle jene, die unerkannt bleiben wollen und das Glitzergehabe von Aspen ablehnen. Schon seit langem besitzt der Schauspieler Harrison Ford eine Farm irgendwo in der Einsamkeit, gehörten den Rockefellers viele tausend acres am Rande der Teton Range. In Jackson und Teton Village wachsen überall kleine Paläste aus dem Boden, die mit groben Balken zu Nobel-Blockhäusern verkleidet werden. Das Holz wird aus anderen Staaten eingeführt, denn im harschen Klima dieser Hochebene wachsen die Bäume für diesen Boom viel zu langsam. Längst ist das Bauland knapp und teuer geworden, denn Jackson Hole liegt in der Nähe des Yellowstone Nationalparks, wird vom Grand Teton National Park und National Elk Refuge eingeklemmt.

Jackson Hole 04-in Jackson

Die Stadt lebt von ihrem gepflegten Wild-West-Outdoor-Image. Es weht ein sanftes Lüftchen von großer Freiheit, die an einem fein gedeckten Tisch und einem Buffalo-Steak enden kann. Aber bei Läden wie Jackson Mercantile blitzt der Abenteuergeist des Mittleren Westens auf, verblüffend echt sehen die präparierten Pelztiere aus und trotz „don’t touch it“ muss jeder die Bären, Füchse und Marder streicheln. Es dürfte das ideale Innendekor für das Ferienhaus in Wyoming sein, die kleinen Trophäen landen über dem Kamin und die kapitalen Vierbeiner kommen ins Foyer.

Wie kaum ein anderer Skiort in den Staaten verlangt Jackson nach einem stilechten Outfit. Es muss nicht so elegant und so teuer sein wie Couture-Ideen von Michelle Julene in feinsten Leder, Pelz und Fransen. Aber der Cowboyhut muss sein und beinahe jeder Besucher landet bei der „Jackson Hole Hat Company“ in der Glenwood Street. Fast eine nationale Institution und die Modelle eines Gambler, Jesse James, Cattleman oder Stampede stapeln sich bis zur Decke. Immer stehen Kunden im Laden und man hört das Fauchen des Dampfgerätes, um den Hüten die optimale Passform zu geben. Denn in die berühmte Million-Dollar-Cowboy-Bar mit einer Pudelmütze zu gehen, würde kaum in die Macho-Atmosphäre passen. Zumal Pferdesättel als Barhocker dienen.

Jackson Hole 04… Cowboy Bar

Wenn die Dämmerung hereinbricht, leuchtet die Hauptstraße West Broadway in tausenden kleiner Birnchen, entsteht ein liebliches Disney World an den rustikalen Holzfassaden der Hotels, schimmern Hirschgeweihe in sanftem Licht, die zu Eingängen des Stadtparks umgeformt wurden. Am frühen Abend ist die Flaniermeile voller Leben, statt auf Trottoirs läuft man auf Bretterbohlen. Vorbei an Männern, die Cowboystiefel tragen und ihre Hüte so lässig in den Nacken schieben wie John Wayne. Nur die Straße gehört nicht den Pferden, sondern tief brummenden Hummers, Chevrolets und der Mercedes M-Klasse.

Aber für manchen ist dieses America „at it’s best“ doch zuviel. Im Restaurant Old Yellowstone Garage serviert David feinste italienische Küche. Er stammt aus Genua und nach jeder Wintersaison fährt er für drei Monate in seine Heimat: „in Jackson fehlt die Kultur, es gibt kein Theater und kein Museum, nur ein Kino.“ Keine Chance für eine Inspiration, zuviel Schnee und Kälte.

An diesem Abend ist der Winter ins Tal des Snake River zurückgekehrt. Hier zeigt die Natur ihre Zähne, denn die Schneeflocken werden mit solcher Macht heruntergeweht, dass ich die Augen mit der Hand schützen muss. In weniger als zwei Stunden ist Jackson Hole unter 30 Zentimeter makellosem Weiß verschwunden. Die Freaks werden jubeln, denn der nächste Morgen kündigt sich mit einem strahlend blauen Himmel an. Der vereiste Highway glitzert in der Sonne und alle Telegraphenmasten tragen kleine Hauben. Mir bleibt nur ein wehmütiger Blick über die Teton Range in frischem Schnee, als das Flugzeug nach Denver abhebt.

 

Dagmar Kluthe

Veröffentlicht in

SonntagAktuell

© Fotos: Dagmar Kluthe / Amanresorts

 

  1. Anreise
  2. die besten Flugverbindungen nach Jackson Hole bietet United über Chicago und Denver. www.unitedairlines.de
  3. Auskunft www.jacksonholechamber.com
  4. Hotels
  5. Amangani liegt auf einem Hügel etwas entfernt von Jackson, mit dem traumhaften Blick auf die Teton Range. 40 Suiten sehr geschmackvoll eingerichtet, sehr gutes Restaurant. Hier fühlt man sich zuhause. www.amanresorts.com
  6. Four Seasons Hotel in Teton Village, direkt am Skigebiet, mit sehr gutem Wellness, Fitness und perfektem Skiservice. www.fourseasons.com
  7. The Alpine House, ein B&B, im Zentrum von Jackson gelegen, sehr gutes und reichhaltiges Frühstück, sympathische Zimmer, kleines Spa www.alpinehouse.com
  8. Essen
  9. Old Yellowstone Garage: hier servieren David aus Genua und Christina aus Trieste beste italienische Küche. 175 Center Street Tel 734.6161
  10. Rendezvous Bistro: internationale Schmankerln wie Austern, Ahi Thunfisch-Steaks, auch Sandwiches und Fish & Chips 380 South Broadway, Tel 730.1100
  11. Snake River Grill, das beste Restaurant in Jackson mit klassisch amerikanischer Küche wie Steaks, Pasta und Salat. Großer Weinkeller. Es soll das Lieblingslokal von Schauspieler Harrison Ford sein. Am Town Square Tel 733-0557
  12. Mode
  13. Jackson Hole Hat Company www.jhhatco.com
  14. Cowboy Couture mit viel Leder, viel Pelz und viele Fransen gehören zum Design von Michelle Julene, die mit ihren Kreationen auch auf New Yorker Laufstegen für Aufsehen sorgt. www.michellejulenecouture.com

Vorheriger Reisebericht:
Nächster Reisebericht: