An diesem Nachmittag bietet schon der Blick in die südirische Landschaft ungeahnte Entspannung. Wellness für Nase und Augen. Noch eben prasselte der Regen in einer unglaublichen Heftigkeit herunter und dann, als hätte ein Dirigentenstab den Schlussakkord angezeigt, versiegen die Wasserströme. Sekunden später ist die Sonne wieder da, und die Luft ist erfüllt vom Geruch feuchter Erde. Als glitzernde Perlen kullert die Nässe an langen Grashalmen herunter, tropft von den Blättern und sammelt sich im manikürten Rasen. Mächtige Eichen stehen im Garten des Park Hotel Kenmare und bieten die perfekte Naturkulisse für den Sámas Spa. Durch ihre sattgrünen Blätter schimmert das Wasser des Kenmare River.
Sámas heißt Ruhe in der gälischen Sprache und die „Enthastung“ vom Alltag will ein Nachmittag in diesem Spa erreichen. Das beginnt schon in der Dusche, dort gibt es keine simple Entscheidung für kaltes oder warmes Wasser, sondern aus den Düsen regnet Tropical Rain, Monsun oder Irish Mist. Auf dieser Insel ist „Irish Mist“ schon fast eine Verpflichtung und dann rieseln seidenweiche Tröpfchen über den Körper. Ein kurzer Blick in die Sauna, aber die Iren wünschen keine Nackigkeit, und im Badeanzug zu schwitzen, ist Geschmackssache. Dann kommt schon Mary und wir gehen eine Treppe hinunter, ein schroffer Wechsel von einer mit Licht durchfluteten Sommeratmosphäre in einen Raum aus strengem, sattbraunem Holz. Gedämpftes Licht, makellos glatte Wände, nichts soll von der Behandlung ablenken. Der Duft des aromatisierten Öls wabert über dem Massagebett und legt sich wie eine beruhigende Hand auf herumschwirrende Gedanken. Nach wenigen Minuten möchte man unter Marys wohltuenden Handgriffen nur mehr schnurren. Stundenlang könnte sie weiter massieren, aber irgendwann kommt ein abruptes Ende: „Thank you!“
In der Lobby des Sámas Spa steht eine Dame im Bademantel und studiert das Angebot der Behandlungen: „für ein langes Wochenende bin ich aus Dublin angereist, um alle Spas in Kenmare und Killarney kennen zu lernen.“
Nirgendwo auf der Insel gibt es mehr Wellness-Oasen als im Südwesten Irlands. Jeder, der die Insel besucht, wird auch in dieser Ecke landen, zu bekannt sind der Killarney Nationalpark und der Ring of Kerry. Als eine der schönsten Küstenstraßen Europas führt sie in einer Tagestour rund um die Halbinsel Iveragh und überrascht mit kantigen Landschaften und einsamen Buchten. Für eine Kostprobe genügt auch die schmale kurvige Straße zwischen Kenmare und Killarney, die mitten durch den Nationalpark führt. Während des Sommers sind allerdings gute Nerven gefragt, denn auf der überlasteten Straße kämpfen Busse, Radfahrer, Campingwagen und Autos um die Zentimeter. Allein am frühen Morgen kann man diese bezaubernde Landschaft genießen, dann ist selbst „Ladies View“, einer der spektakulären Ausblicke in ein irisches Märchen, noch nicht belagert. Nur etliche Minuten später, in Killarney sind schon die ersten Wanderstiefel, Anoraks und Rucksäcken in den Straßen zu sehen. Im Zentrum von Irlands beliebtem Ferienort liegt das Plaza Hotel. Dort hat sich die englische Kosmetikfirma Molton Brown etabliert und ihrem Spa in fernöstlichem Ambiente eingerichtet. Die Atmosphäre aus weichen Chiffonvorhängen, zartem Licht von Kerzen und hypermodernen Leuchten und leise plätscherndem Wasser legt sich wie Balsam auf die strapazierten Nerven. Der Mittelpunkt ist ein Pool mit Hydrotherapie-Düsen, eingerahmt von auberginefarbenen Polstern. Die sanften Farbtöne beruhigen die Augen und machen ein Sich-Fallen-lassen einfacher. Überall liegt die Betonung auf Harmonie und so dienen die vier Jahreszeiten als Ideengeber für die Behandlungen. Da steht im Programm für den Sommer: „purifying grapeseed“. Eigentlich könnte dies auch der Herbst sein, denn es beginnt mit einem Peeling aus getrockneten Rotweintrauben, dann kommt eine Schlammmaske auf den Körper für eine intensive Reinigung und damit alles perfekt einwirkt, wird man in feuchtheiße Tücher gewickelt. Zuletzt eine Massage mit Traubenkernöl und nach 90 Minuten ist dieser Traum vorbei.
Am Abend spüre ich ein sattes Wohlgefühl in jeder Pore, und da fallen mir die Worte von Mary ein: „Auch ein Besuch im Pub gehört zum irischen Lebensgefühl.“ An diesem Abend können mich keine Pints of beer und keine sangesfreudigen Geigenkünstler locken. Einfach nur schlafen, und mal wieder trommelt der irische Regen gegen das Fenster.
© Fotos: Dagmar Kluthe
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