Im Golfspiel sucht Julian Robertson seine Grenzen. Aber mit Niveau und der erfolgreiche Wallstreet-Makler verwandelte viele hundert Hektar einer Rinderfarm in manikürte Grashälmchen und besitzt nun einen der schwersten Plätze der Welt. Genau so traumhaft am Pazifik gelegen wie das kalifornische Mekka von Peeble Beach gehört nun das neuseeländische „Kauri Cliffs“ zu den Musts ambitionierter Golfer. Dabei verlangen die diffizilen 18 Löcher nicht nur nach profundem Können, vielmehr ist mentale Gelassenheit gefragt, um den Wetterlaunen zu begegnen. Durch die Nähe der Antarktis kann der rasche Wechsel von Sonnenschein, heftigen Windböen oder prasselndem Regen zu einer wahren Nervenprobe für das Spiel werden.
Doch an einem sonnigen Aprilmorgen ist diese Landschaft zum Verlieben, eine Harmonie aus dem hellen Grün der Greens und dem dunkleren Smaragdgrün der Roughs, eingetaucht in ein unverschämtes Blau von Meer und Himmel. Noch liegen leichte Herbstnebel in der Bay of Islands, einer Bucht mit vielen meist unbewohnten Inseln, die wie Maulwurfshügel aus dem Wasser ragen. Bewachsen mit den gewaltigen Kauri-Fichten, die locker fünfzig Meter hoch und uralt werden können. Einst waren die Bäume auf der ganzen Nordinsel zu finden, doch als perfektes Bauholz für die Kanus der Maoris sind sie zu einer Rarität geworden.
Acht „Cottages“ gehören zur Lodge von Kauri Cliffs, und nach dem Geschmack von Josie, der Gattin von Julian, wurde es eine Mischung aus North Carolina-Architektur und East Hampton Sommerhaus. Eingerichtet in den unaufgeregten Farben des Cremeweiß, Beige und Braun. Ein offener Kamin, Rattanmöbel und flauschige Wolldecken in den Suiten vermitteln das elegante Country-Feeling und zum Frühstück wird die Veranda eingedeckt. Für den Sonnenuntergang könnte es dann Champagner am Privatstrand Pink Beach sein, dessen Boden mit pastellfarbenen Muscheln übersät ist und der Abendstimmung einen unvergleichlich rosa-romantischen Touch gibt.
Eine kurze Flugstunde nördlich von Auckland, gehört Kauri Cliffs in den Kalender des Jetsets. Hier feilte America’s-Cup-Gewinner Ernesto Bertarelli an seinem Handikap, der nicht nur ein erfolgreicher Segler, sondern auch ein besessener Golfspieler ist. Dann stehen immer Hubschrauber parat, es ist ohnehin die zeitgeistige Kiwi-Art der Distanzüberwindung. Was sonst einen Tag im Auto bedeutet, wie die Fahrt zum Cape Reinga mit dem nördlichsten Leuchtturm Neuseelands, ist dann in einer Stunde abgehakt. Zumal wenn das erwartete Inferno beim Aufeinandertreffen von Pazifik und Tasman-See nur das Bild einer großen Friedlichkeit bietet.
Doch endlich, bei der Ankunft in Wharekauhau Lodge ist es gewiss, dass zwischen Neuseeland und der Antarktis nur fünftausend Kilometer liegen. Hier wo sich die Nordinsel zu Ende neigt, fegt ein eisiger Wind über Wiesen und Strand. Einer, der durch den Daunenanorak auf der Haut zu spüren ist, die Baumkronen zum Boden biegt und das Meer in der Cook Strait zu weißem Schaum aufpeitscht. In dieser Naturgewalt kann kein Hubschrauber mehr landen und so bleibt nur das Allradauto von James für die Fahrt zum Cape Palliser. Für James, den Oberhirten über die 5000 Schafe der Wharekauhau Lodge gehören die Stürme der „Roaring Forties“ zum Alltag. „Im Frühjahr haben wir sechs Tage Southerlies, erzählt er, „dann fünf Tage Northwesterlies und vier Tage zur Erholung vor der nächsten Windattacke.“
Wer in dieser Ecke keine Schafe züchtet, lebt vom Fischfang, denn der kalte Pazifik bringt volle Netze. Eine gefährliche Arbeit, denn der Seegang an dieser Küste ist so stark, dass die Boote mit kleinen Bulldozern zu Wasser gelassen werden. Doch heute ist die kochende Brandung schlicht lebensgefährlich, selbst den Seelöwen ist ihre nasse Heimat zu turbulent. Faul liegen sie hinter kleinen Stranddünen, der ihnen Schutz vor dem Wind bietet und blinzeln in die Kameras.
Am Nachmittag legt sich der Sturm etwas und man könnte den Leuchtturm von Cape Palliser erklimmen. Hunderte von Stufen ziehen sich nach oben, doch ein Schild macht alle Ambition zunichte: wegen Malerarbeiten geschlossen. Dann wenigstens einen Abstecher zum Lake Ferry Hotel, wo Fish and Chips auf der Karte stehen, lokales Bier gezapft wird und Musik aus den Fifties erklingt. Abends ist dann wieder viel eleganter. An den lodernden Lodge-Kaminen wird Rotwein von Palliser Estate ausgeschenkt, man lungert auf breiten Sofas herum und hört den Regentropfen zu, der ans Fenster schlagen.
Am nächsten Morgen ist der Wetterspuk vorbei, glatt wie ein Brett liegt das Wasser in der Cook Strait, als wäre es zu keiner einzigen Welle fähig. Diese Idylle passt zur Landschaft rund um Nelson, dem Entree zur Südinsel. Verträumte Buchten, Obstplantagen und Rebstöcken. Wer es sich leisten kann, wohnt in der Paratiho Lodge in der Nähe des Abel Tasman Nationalparks. Paratiho heißt Paradies auf Maori und für die Besitzer Sally und Robert Hunt bedeutet es kalifornischer Lifestyle der oberen Zehntausend. Einen Park voll zeitgenössischer Skulpturen, die Hauswände voller Bilder und Kunstbände in den Suiten. Ihre Gäste sehr individuell zu umsorgen, ist das Hobby der beiden aus Los Angeles geworden, denen ihre amerikanische Heimat zu kriminell und ihr Zweitwohnsitz Sun Valley zu langweilig geworden ist. Nun holen sie sich die Unterhaltung ins Haus, denn zum Abendessen ist intellektuelle Konversation angesagt. Etwas mühsam plätschern die Gespräche dahin, bis endlich ein New Yorker Anwalt seinem Herzen Luft macht. Denn mit großer Anspannung sieht er seinem Fliegenfischen entgegen: „I’ll get this damned fish out of this damned river!“ und plötzlich ist die steife Atmosphäre am Tisch wie weggefegt.
In Queenstown wäre dieser markige Ausspruch das Normalste der Welt, denn dieser Ort ist quasi der Spielplatz harter Männer und unerschrockener Frauen. Es ist die Spaßgegend Nummer eins in Neuseeland, die durch das Bungee-Jumping und andere wahnwitzige Unterhaltung weltberühmt geworden ist. Dazu gehört auch in einem Jetboat den Dart-River hinaufjagen, megadicht an den Felsen vorbei zu schrappen und mit scharfen Wendungen imposante Wasserfontänen erzeugen. Das gefällt Bill schon seit zwanzig Jahren und noch immer blitzen seine Augen vor Vergnügen: „so ein Boot ist ein perfektes Männerspielzeug!“ Dabei könnte einem schon die Landschaft den Atem rauben. Schneebedeckte Berge, Gletscherfelder, Schluchten und Seen in Minutentakt, wenn man mit einer Cessna über den Mount Aspiring National Park fliegt und vielleicht noch einen Abstecher zum berühmten Milford Sound macht. Aber es genügt schon ein Blick aus den Fenstern der Matakauri Lodge, wenn die letzte Abendsonne auf den grünblauen Wakatipu-See fällt und dann langsam die Berge des Eyre Mountains hinauf kriecht. Neuseeland at it’s best!
Dagmar Kluthe
Erschienen in der
Aug 2003
© Fotos: Udo Bernhart