Reisebericht


Exzentrisches Auckland


Veröffentlicht am 10.07.2014 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Neuseeland.
Schlagworte: Kunst, Mode, Wein.


Auckland - Auckland Art Gallery

An diesem Freitag im Januar gibt der neuseeländische Sommer mal wieder ein Stelldichein in Auckland und natürlich sind alle Tische am Ferry Terminal besetzt. Häufig steht das imposante Gebäude mit seiner Retro-Fassade aus gelbem und rotem Stein im Blickpunkt, denn hier warten die Fähren zu den nahen Inseln im Golf von Hauraki und ganz verführerisch locken Tische mit Blick auf den Hafen. Noch eben rühre ich etwas traumverloren in meinem Espresso und schaue den Leuten nach,  die zu den Fähren eilen, als ein keckes Hupen ertönt und ein weißes Mercedes heranschießt. Völlig ungewöhnlich in Auckland, wo sich der Verkehr eher im Schneckentempo bewegt, verglichen mit europäischen Verhältnisse.

Dann winkt eine Hand und ein blonder Lockenkopf erscheint, meine Verabredung mit Trelise Cooper. Sie ist eine der führenden Modedesigner auf Neuseeland, bezaubert durch ihre ungewöhnliche Zusammenstellung von Mustern und Farben, untermalt mit einem Touch von Romantik. So unkonventionell wie Trelise war auch der Beginn ihrer Karriere in der Mode. Ihr Ehemann ist Stoffhändler und sie konnte einfach keine Kleider finden, die ihr gefielen, und begann zu schneidern.  Ende der achtziger Jahre war „Down under“  ganz weit weg von jeder Idee eines Trends.

„Lass uns zu Viaduct Harbour fahren,“  meint sie, ohne eine Reaktion abzuwarten, dort sei der Freitagnachmittag einfach genial.

Auckland - Quay Street

Seit dem ersten America’ Cup, der 2000 vor den Toren Aucklands ausgetragen wurde, hat sich die Stadt total verändert.  „Total segelverrückt waren die Kiwis immer, sagt Trelise, aber ein solches „big boys’ game“ ließ Auckland aus dem Tiefschlaf erwachen.

Plötzlich bekam der vergammelte Yachthafen ein trendiges Outfit, darunter das schneeweiße Hotel Hilton mit seiner Fassade eines Kreuzfahrtschiffes, rauften sich die Gastronomen um eine Lizenz in der Nähe der Quais.

Mit dem Tross der Segler reisten plötzlich viele wohlhabende Menschen auf die Insel und blieben viele Wochen. Endlich konnte man spannende Mode entwerfen und auch erfolgreich verkaufen. Rasch erwies sich die Boutique von Trelise Cooper am Hafen als eine Goldgrube. „Vielen Frauen langweilten sich während der endlosen Übungsfahrten der Teams“ und sie gingen alle einkaufen.

Für Trelise war es die Zeit ihres Durchbruchs und noch heute sind ihr Kunden aus Los Angeles treu, mal gute 12 Flugstunden entfernt.

Auckland - DeBrett Kitchen Tuna Salat

Zielsicher steuert sie zum Eingang des Soul, seit der berühmten Regatta „the place to be“ am Viaduct Harbour. An der Bar steht die blonde Judith Tabron, die einen ähnlichen Hype erlebte wie Trelise. Als 2001 ihr Restaurant eröffnete, war sie der erste weibliche Chefkoch in Neuseeland, schon das sorgte für Schlagzeilen neben ihrer kreativen Küche aus den Zutaten der Insel.  „Vor dem America’s Cup gab es nur lamb shanks und Bier, das höchst traditionelle Essen der Kiwi, nämlich Lammkeule in vielen Spielarten. Unsere Küche war geradezu berüchtigt bei allen Besuchern.

Heute ist der kulinarische Anschluss geschafft, man steht auf ihrer Terrasse, schlürft die herzhaften Austern aus Bluff Bay, das ganz im Süden der Südinsel liegt. Dazu Champagner oder ein feiner Sauvignon blanc aus der Region von Marlborough, nahe der Hauptstadt Wellington.

Doch nur wer zur Szene zählt oder sonst wie interessant ist, hat bei Judith reelle Chancen auf einen Platz an der Sonne und dann heißt das Spiel „celebrity watching“.  Darin dürfte Trelise Weltmeisterin sein, denn mit ihrem kecken Temperament kennt jedes und jeden in Auckland.

Gegen fünf Uhr ist die Terrassenparty zu Ende, die Tische werden für das Abendessen eingedeckt, längst steht Judith wieder in ihrer Küche.

Auckland - Parnell Street

Bis zum Abend bleibt noch Zeit für einen Bummel im eleganten Viertel von Parnell. Wer schon keine Dependance in Viaduct Harbour gefunden hat, sollte wenigstens Parnell Road als Adresse angeben können.  Dieses Viertel steht auf historischem Boden, unschwer zu erkennen an den Holzhäusern im charmanten nordamerikanischen Kolonialstil. Geradezu kitschig wirken sie in ihren Bonbonfarben eines Rosa oder Hellgrün, dort ein Blumenkübel und da eine Bank.  In den Patios und auf den Galerien lassen sich unzählige kleine Geschäfte finden, die gerne einen nostalgischen Touch pflegen. Hier begegnet man einem völlig unaufgeregten Auckland, man flaniert, trinkt Café oder testet den neuen Sushi-Laden.

Auckland -Hotel DeBrett

Völlig anders ist die Gegend rund um Posonby Road, auf der anderen Seite der Stadtautobahn.  Viel rauer, viel weniger poliert. Dunkle Billardcafés, Geschäfte mit T-Shirts und Jeans, Tattoo-Läden, kleine Supermärkte.

Hier gibt es am frühen Abend kaum Flaneure, sondern nur Jogger und Skateboarder. Dieses flippige Milieu ist das perfekte Umfeld für Peter Chaplin und seinem unscheinbaren Lokal mit dem ungewöhnlichen Namen „Musical Knives“.

Peter, geboren im südenglischen Southend-on-Sea, war jahrelang in der Rock’n Roll-Szene unterwegs und hat Stars wie The Pretenders, Iggy Pop und Madonna in ihrer Tournee „What’s that Girl“ bekocht.  „Schon damals wollten sich diese Künstler gesund ernähren, um die Konzerte und die anschließenden Partys locker durch zu halten.“ Das geht nur mit „clean cuisine“,  seinem Motto für gute lokale, meist vegetarische Kost.

Natürlich liebt auch Trelise diesen Trend und ich musste unbedingt probieren, was Madonna damals gegessen hat. Schon der Auftritt von Peter hat es in sich,  ein schwarzer Jaguar E fährt in den Hinterhof, dann steigt er aus, ganz in schwarz, in einem hautengen Fitness-Outfit. In der Küche kommt noch eine schwarze Schürze darüber.

Dann wurde die Lieblingsspeise von Madonna serviert und ich traute meinen Augen nicht: ein riesiger Berg aus geschnipseltem Gemüse, dazu allerlei Nüsse. Die Nacht danach blieb mir unvergesslich, denn mein Magen revoltierte energisch gegen das rohe Grünfutter.

Auckland - Britomarkt

Für den Absacker geht es in die Sale Street, eine Straße unweit der Autobahn, auf den ersten Blick absolut charmefrei. Den Tag über herrscht hier gähnende Leere, erst am frühen Abend kehrt Leben in die ehemaligen Fabrikhallen ein. Je später die Stunde, desto voller wird es hier und besonders bei warmem Wetter sind die Tische auf dem Dach immer umlagert. Mittlerweile ist die Idee der Mikrobrauereien auch in Down Under angekommen und das Bier fließt in Strömen. Kein Wunder, sind doch die Nächte mit angenehmen Temperaturen nicht so zahlreich.

Doch für die meisten Kiwis bedeutet das Wochenende, dass sie zu Scharen die Stadt verlassen.  Für die Genuss-Süchtigen steht die Insel Waiheke im Golf von Hauraki an erster Stelle, denn die Fahrt mit der Fähre dauert mal gerade eine halbe Stunde.

Dort wartet eine Überraschung, neben den vielen Sandstränden schaut man auf Weinberge und Olivenhaine. Sogar Palmen haben sich auf die Insel verirrt und scheinen sich wohl zu fühlen. Die ersten Reben wurden Ende der 1970er Jahre gepflanzt und 1982 kamen die Olivenbäume dazu.

Kein Wunder, dass sich Europäer in die südliche Toskana versetzt fühlen. Dieses Erlebnis brachten auch Anne und Colin Sayles von ihrer Italienreise mit, und „Waiheke mit seinem milden Klima ist ideal“  sagt Anne auf dem Weg zur neuen Olivenpresse.  „Der Anfang war nicht leicht, denn vielen war das Öl zu teuer.“ Heute drängeln sich die Leute bei den Touren von Rangihoua Estate und den anschließenden Verkostungen.

Noch beliebter ist die Degustation von Wein und da dürften die Flaschen von Te Whau an erster Stelle stehen. Im Jahre 1993 kaufte Besitzer Tony Forsyth das erste Stück Land, ein Seiteneinsteiger, der nicht sein ganzes Leben als CEO am Schreibtisch und im Flugzeug verbringen wollte.

Über der Bucht von Putiki liegt das Weingut mit seiner  avantgardistischen Architektur, inmitten von Weinbergen, die sich sanft zum Meer senken. Alleine schon der Blick lohnt die Reise, besonders wenn das Wetter mitspielt. Mit der Sonne ist das Wasser dunkelblau und darüber die grünen Weinberge, weiter unten die Buchten mit ihrem gelben Sand, die sich wie Perlen einer Kette am Inselrand entlang ziehen. Die meisten kommen wegen des guten Restaurants,  ganz zu schweigen von den legendären Weinen. Tony hat es in wenigen Jahren geschafft, ein hervorragender Winzer zu werden und horrende Preise für seine Flaschen verlangen zu können. „Ich wollte immer einen Wein haben, der die Klasse eines guten Bordeaux hat,“ meint Tony, mit jedem Jahr komme ich meinem Ziel näher. „The Point“ heißt sein Flaggschiff. Ich wähle seinen Chardonnay, denn ich will seinen geräucherten Lachs essen. Geräuchert, wie kann es anders sein, mit den Holzschnitzeln aus den Barrique-Fässern seiner Rotweine. Eine perfekte Grundlage, um sich eine Stunde an den Strand zu legen und die Sonne zu genießen. Man könnte vielleicht auch baden und ein paar hart gesottene Kiwis streben mutig dem Wasser zu. Ich schließe lieber die Augen, höre dem leichten Wind zu, der die Rebenblätter rascheln lässt.

Matakana Brick Bay Sculpture Trail

Für Trelise ist Waiheke Island zuviel der Idylle, für sie liegt der aktuelle Trend an der Matakana Coast, gut 90 km nördlich von Auckland. Hier gab es eigentlich gar nichts, bis sich Anne und Richard Didsbury einen Lebenstraum erfüllten und 1986 die Brick Bay Farm kauften. Mit der Zeit verschwanden Rinder und Schafe und die beiden schafften ihre eigenen Vorstellungen eines Parks, die Attraktion sind zeitgenössische Skulpturen und Arrangements. Stundenlang lässt sich hier flanieren, auf Holzstegen geht es durch Farnwälder, vorbei an den selten gewordenen Kauri- Fichten, die nur auf Nordinsel wachsen und unter Naturschutz stehen. Kleine Seen wurden angelegt und immer gibt es Kunst zu entdecken. Oftmals so versteckt,  dass man regelrecht auf die Pirsch gehen muss  und feststellt,  dass man schon längst daran vorbei gelaufen ist. Dieser „Sculpture Trail“ ist ständig in Bewegung, denn viele Künstler fühlen sich von dieser Idee angezogen und wollen ihre Werke zur Verfügung stellen. Mittlerweile hat Tochter Anna die Regie übernommen, aber durch die Initiative ihrer Eltern ist diese Küste in Mode gekommen. Nun gehört eine Zweitwohnung zum Image und eigentlich kann man nur mehr Filme in den Matakana Cinemas ansehen. Eigentlich ziemlich krass, neben der  verfeinerten dörflichen Welt mit kleinen Geschäften, mit Büchern oder Keramik, einem Health Shop und natürlich einem Bauernmarkt, gibt es drei Kinosäle mit einem höchst freakigen Design. Nicht weniger anspruchsvoll ist das Programm und der Herr über die Auswahl ist Dan,  der mit Anna Dridsbury verheiratet ist.  Also dann:  180 Minuten Macbeth mit Kenneth Branagh, inmitten von Nirgendwo.

Matakana Brick Bay Sculpture Trail (1)

Diese Insel kann überraschen.

Dagmar Kluthe

Fotos© Dagmar Kluthe

Erschienen in der Vogue

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  1. Anreise:  Emirates von München über Dubai nach Auckland  www.emirates.com
  2. Hotels in Auckland
  3. Hotel de  Brett
  4. Sehr chices Design in frischen Farben,  perfekte Lage im Zentrum  www.hoteldebrett.com
  5. Hotel Mollies
  6. In einen Kolonialhaus,  in der feinen Wohngegend von St. Mary’s Bay gelegen, kann man sich in den gemütlichen Zimmern nur wohl fühlen.
  7. www.mollies.co.nz
  8. Essen
  9. Soul
  10. Wer mitreden will und eine tolle Fischküche liebt, kommt an Judith Tabron und ihrem Restaurant Soul nicht vorbei.
  11. www.soulbar.co.nz
  12. Mode
  13. Trelise Cooper
  14. Mittlerweile sind ihre Läden über ganz Auckland verteilt. Eine Mode, die Spass macht und jeder tragen kann.
  15. www.trelisecooper.com
  16. Annah Stretton
  17. Auch das Design von Annah Stretton ist ein perfektes Aushängeschild für Mode aus Neuseeland.
  18. www.annahstretton.co.nz

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