Reisebericht


Die Liparischen Inseln


Veröffentlicht am 27.09.2006 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Europa.
Schlagworte: Nachts, Strand, Vulkan.


Freundin Vulcano 1

Gegen sechs Uhr morgens in Catania. „Wer den Bus nach Milazzo nimmt“, meint Giuseppe, muss in Messina umsteigen, einen neuen Fahrschein kaufen und den Koffer zur Haltestelle schleppen. Aus dem Rückspiegel blicken zwei braune Augen und mein Kopfnicken kostet mal eben 120 Euros. Verführung auf sizilianisch. Dafür darf ich mich in einem Taxi zurücklehnen und die aufgehende Sonne beobachten, die mit ihrem gelben Licht langsam die struppig trockene Landschaft Süditaliens erobert.

Nach zwei Stunden sitze ich schon in einer Bar, trinke den ersten Capuccino und blättere in der rosafarbenen Zeitung Gazzetta dello Sport. Der Aufmacher lautet Forza Schumacher! und die Männer am Tresen werfen mir anerkennende Blicke zu. Die Italiener haben einfach drauf, die Seele zu streicheln.

Vulkano 2

Spiegelglatt ist das Wasser, als der „aliscafo“ den Hafen von Milazzo verlässt. Kein Hauch von Windgott Äolus, der den Inseln ihren Namen gegeben hat. Vor mir tyrrhenisches Meer bis zum Horizont, darüber der Himmel mit wenigen Federwölkchen. Symphonie in Azurblau. Dann tauchen die Umrisse der Äolen auf, noch liegen die Vulkankegel im feinen Dunst eines Oktobermorgens. Bei soviel Harmonie lässt sich das abgegriffene „paradiesisch oder Garten Eden“ kaum verdrängen.

Die erste Haltestelle ist Vulcano. Der intensiv faulige Geruch des Schwefeldampfes weht herüber und man möchte sich die Nase zuhalten. Menschen mit Badetaschen steigen aus, sie alle hoffen auf die heilende Wirkung der legendären Quellen. „Früher ist auch Giovanni Agnelli gekommen“. Dann liegen sie wie Zombies in der heißen blubbernden Brühe, Körper und Gesicht dick mit Lehm beschmiert, nur Augen und Mund tragen kleine Schlitze. Rundherum brodelt der Boden, aus unzähligen Erdlöchern steigt Dampf empor, der die Felsen mit einer gelblich-weißen Schicht überzieht. Eine urweltliche Szenerie.

Vulcano5

Dann erreichen wir den Landungssteg von San Marina auf Salina. Immer wenn der aliscafo kommt, bricht die Hektik in dem Minihafen aus. Schachteln werden gewuchtet, Koffer und Taschen geschleppt. Menschen, die um den Hals fallen. Doch kaum hat das Boot abgelegt, kehrt wieder Stille ein, noch ein wenig hallt das aufsässige Geknatter der Vespas und Apes herüber. Gerne würde ich noch auf der Kaimauer sitzen bleiben, aber da eilt Clara herbei, schnappt den Koffer und bugsiert ihn in den Jeep. Mit jaulendem Motor jagt sie das Auto über den Berg, denn ihre Heimat Malfa liegt in der nächsten Bucht. Völlig unsizilianisch ist Clara, diese kompakte Mixtur aus Energie und Enthusiasmus. Eigentlich hat sie Psychologie studiert, doch Arbeit gibt es nur in Messina und irgendwann war ihr das tägliche Pendeln zuviel. „Immer wollte ich etwas für meine Insel tun“, meint sie. Das sei nur in der Politik möglich, und nun ist sie die rechte Hand des Bürgermeisters. So nebenbei managt sie ihr Hotel. Allein die Baugenehmigung zu bekommen, um ein halb verfallenes Anwesen in ein Hotel zu verwandeln, „hat die kleine Ewigkeit von vier Jahren gedauert“. Um die Gäste kümmert sich Ehemann Michele. Auch er stammt aus Malfa und hat früher als Fischer gearbeitet. Vom Boot in die Küche, denn bei dem scheuen Autodidakten gibt es das feinste Essen auf Salina. Wie den Mittelmeerfisch Pesce di Luna mit einer Salsa aus Thymian, Petersilie, Öl und Zitrone.

Vulcano3

Ich sitze auf der Terrasse, ein Dach aus Schilf schützt vor der Sonne, darunter hängen die gebündelten Tomaten zum Trocknen. Ganz à la eoliana. Es ist schon Ende Oktober aber der Sommer will kein Ende nehmen. Noch immer diese satte warme Luft und der Garten voll blühender Bougainvilleas, Callas, Oleander und Hibiskus. Allein die zauberhaften hellblauen Trichter der Kapernbüsche, die auf Salina überall wuchern, sind nur im Juni zu sehen.

Die schönste Bucht der Insel liegt unterhalb von Pollara, fünf Kilometer von Malfa entfernt. Der Weg dorthin führt an jenem Haus vorbei, wo Anfang der neunziger Jahre der berühmte Film „Il Postino“ mit Philippe Noiret und Massimo Troisi gedreht wurde. Heute wird es als Ferienhaus vermietet und dann lässt sich die Geschichte des Schriftstellers Pablo Neruda und seines Postboten ganz hautnah erleben.

Wie in einem Amphitheater hocken die wenigen Häuser von Pollara an den Ausläufern des Vulkans Monte dei Porri. Über viele kleine Stufen gehe ich hinunter zum Strand, ein nur zehn Meter breiter Streifen aus schwarzem Lavageröll und dahinter zieht sich eine gewaltige Steilküste nach oben. Von grün über türkis bis enzianblau schimmert das Wasser, ein faszinierendes Farbenspiel, das durch die dunklen Felsen noch intensiviert wird. Für den Sonnenuntergang klettere ich um die nächste Ecke zum Felsentor Punta Perciato. An diesem Abend ist nur das leichte Schlagen der Wellen gegen die Steine zu hören. Sitzen und schauen, bis der rotgelbe Ball im Meer ersoffen ist.

Zwei erloschene Vulkane prägen die Kulisse von Salina. Bedeckt mit Steineichen, Kastanien und Kiefern steht der fast tausend Meter hohe Monte Fossa dei Felci im Westen und gegenüber ragt der Monte dei Porri in die Höhe. Als wäre ihre Haut in grüne Falten gelegt geworden, so schimmern die Bergrücken im Licht des späten Nachmittags. Vom Meer kommt ein leichter Wind. Ein Märchen aus Grün und Blau.

So ganz anders ist Stromboli. Eine Insel voll schwarzem Sand und einem speienden Vulkan. Um einmal die Urgewalt der Erde zu spüren, muß man an seiner Flanke empor gehen. Mit den Füßen erfahren, wie sich ein Berg unter Krämpfen schüttelt und dann seinen feurigen Inhalt ausspuckt. Eine halbe Bootsstunde von Salina entfernt, liegt einer der aktivsten Vulkane der Welt. Alle fünfzehn Minuten kündigt ein dumpfes Grollen einen erneuten Ausbruch an.

Es ist ein dreistündiger Aufstieg zu diesem fast tausend Meter hohen Vorhof der Hölle. Gegen vier Uhr nachmittags gehen Pippo und ich los, um die nächtlichen Eruptionen zu erleben. Zuerst ist es ein Wandern durch mannshohe Gräser, Ginster, Rosmarinbüsche, sonnenverbrannte Erde. Mit der Höhe wird die Vegetation karger und dann waten wir durch knöcheltiefen schwarzen Sand und müssen uns mit den Händen an Felsbrocken hochziehen. Mit der untergehenden Sonne wird es empfindlich kalt. In Anorak und Mütze klettern wir auf einen erloschenen Zwillingskrater und schauen wie auf einem Hochsitz in dem Schlund des Strombolis. Mittlerweile ist es stockdunkel geworden und noch gleißender wirkt das Rot und Gelb der Magma, die als feurige Fontänen nach oben geschleudert werden. Man hört das Aufprasseln der Steine, die als glühende Brocken die Sciara del Fuoco herunterkullern, einer Feuerrutsche im Nordwesten der Insel. Es riecht nach Verbranntem. Dann kommt eine dicke Wolke und als würde ein Vorhang heruntergelassen, findet nun das Schauspiel ohne Publikum statt. In rabenschwarzer Nacht rutschen wir in dem ultrafeinen Lavasand nach unten und ich bin heilfroh, dass Pippo jeden Zentimeter seiner Insel kennt. Auch der Ort liegt in tiefer Dunkelheit, denn auf Stromboli gibt es keine Straßenlaternen. Sich an Hauswänden und Gartenmauern zum Hotel zu tasten, ist schon ein sehr eindrückliches Erlebnis.

Stromboli gehört zu den „Chicen“ im Archipel. Seit Ingrid Bergmann und Anna Magnani in den fünfziger Jahren um den Filmregisseur Roberto Rossellini kämpften, besitzt die Insel viel Star-Appeal. Nun haben Dolce und Gabbana ihre modische Villa dort gebaut und Stromboli einen zeitgeistigen Kick gegeben. „Als ob die Schönheit der Äolen nicht ausreichen würde“, meint Stefano in einem Café am Hafen von Lipari. Er habe lange auf Stromboli gelebt, aber nun sei es zu teuer geworden. Und der Winter ist dort zu langweilig. Aber auf der geschäftigen Hauptinsel findet er immer einen Freund für einen Espresso. Für Gespräche, ob der Zucker besser in einer Dose auf dem Tische stehen sollte oder als Päckchen neben der Tasse liegen sollte. „Mit der Dose fehlt mir das richtige Maß“, meint Stefano und dann würde der ganze Kaffee leiden. Dann bestellt er noch neuen Espresso, schaut auf den Hafen von Marina Corta, wo gerade der aliscafo angekommen ist. Die letzten Besucher dieses Sommers marschieren zur Akropolis, aber mancher verzichtet auf das antike Aushängeschild des Archipels und flaniert durch die Via Garibaldi mit ihren Souvenirläden. Nächste Woche werden die meisten Hotels schließen. Die Zeit, die auf den Äolen immer etwas langsamer geht, möchte dann beinahe stillstehen. Es könnte das Geheimnis sein, dass die Inseln nichts von ihrem Zauber verloren haben.

Übrigens, im Hafen von Milazzo stand wieder Giuseppe. Falls ich lieber mit dem Taxi nach Catania fahren möchte.

 

Dagmar Kluthe

© Fotos Dagmar Kluthe

Erschienen in

reundin

 

  1. Linien- und Charterflüge nach Catania, von dort per Bus oder Taxi zum Hafen von Milazzo. In Milazzo starten die Tragflügelboote der „aliscafos“.
  2. Linienflug oder Charter nach Neapel, von dort auf die Nachtfähre, die in zehn Stunden die Inseln erreicht.
  3. Lipari:
  4. Sehenswert ist das Äolianisches Museum auf der Akropolis. Die antiken Fundstücke haben Weltruf.
  5. Kasbah Café: gute Bar, orientalisch angehauchtes Café und ein idyllischer Garten. Bis 5 Uhr morgens geöffnet.
  6. Auf den anderen Inseln gibt es kein Nachtleben.
  7. Hotels auf Salina:
  8. Hotel Signum in Malfa Tel: 090/9844222, Fax 090/9844102, e-mail: salina@hotelsignum.it, www.hotelsignum.it
  9. Hotel L’Ariana in Rinella di Leni, Tel 090/9809075, Fax 090/9809250. e-mail: lariana@netnet.it, www.hotelariana.it
  10. Ferienhaus:
  11. Für Filmfans, denn das „Postino-Haus“ vermietet der Maler Pippo Cafarella. Die Ausstattung ist sehr schlicht. Der Hausteil für 5 Personen kostet ab 1688 €/2 Wochen, jener für 6 Personen ab 2045 € Tel: P. Caffarella Tel 0039/090/9844135
  12. Auf Stromboli:
  13. La Sirenetta Park Hotel, schönes Hotel direkt am Wasser, e-mail: lasirenetta@netnet.it, www.netnet.it/hotel/lasirenetta
  14. Locanda Brasile (im Ort Piscità) e-mail: pensione.brasile@tin.it www.netnet-eolie.it/pensionebrasile
  15. Locanda Petrusa: Tel 0909812305 liegt in Ginostra, das nur mit einem kleinen Boot zu erreichen ist.
  16. Ferienhaus in Scari:
  17. Villa “La Pergola”, für 6 Personen auf 170qm Wohnfläche mit direktem Zugang zum Strand und Blick zum Vulkan. Infos unter Tel 08142/570650, email: andreasvb@online.de
  18. Für den abendlichen Aufstieg zum Vulkan (man kann auch dort im Schlafsack übernachten) sollte man einen Führer mitnehmen, denn der Abstieg findet in tiefer Dunkelheit statt und man kann sich leicht verirren.

Vorheriger Reisebericht:
Nächster Reisebericht: