Reisebericht


Die Great Ocean Road


Veröffentlicht am 11.11.1998 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Australien.
Schlagworte: Küstenstraße, Sonnenuntergang, Strand.


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Unerbittlich bohrten sich ihre Meißel in den Fels, brachten die Schläge der Äxte Hunderte von Eukalyptusbäumen zu Fall, mußte die steinige Erde schaufelweise weggeschafft werden. Alle verfluchten diese Knochenarbeit bei Wind und Wetter an der unbarmherzigen Südküste Australiens, aber man wollte den Kaliforniern zeigen, wer auf dieser Welt die schönste Küstenstraße besitzt. In unendlichen Mühen haben 3000 Veteranen des Ersten Weltkriegs den Felsen und Urwäldern die weltberühmte Great Ocean Road abgerungen. Über ein Jahrzehnt schufteten sie offiziell zum Gedenken an ihre gefallenen Kameraden, doch eigentlich waren sie nur froh, daß sie endlich einen Job hatten. Nach dem Krieg, zudem sie der Commonwealth rekrutierte, kam die Wirtschaftskrise und die ehemaligen Soldaten lagen auf der Straße. In Torquay, zwei Autostunden südwestlich von Melbourne, beginnt jene Straße mit den Attributen des Einmaligen, des Unvergeßlichen, und führt über 300 km an der Küste entlang bis nach Warnambool, der ehemaligen Hochburg des Walfangs. Doch der Great Ocean Road allein würde nur halb soviel Aufmerksamkeit gewidmet, gäbe es da nicht den Southern Ocean, dessen ungebrochene Gewalt unentwegt gegen den australischen Kontinent donnert und an seiner Substanz nagt. Dem porösen Sandstein dieser Küste fehlt die Kraft zum Widerstand gegenüber den kraftvollen Wellen, dem bissigen Wind mit seiner salzhaltigen Luft und den oft heftigen Regengüssen. Unwiderruflich sind diese Felsen der Erosion preisgegeben. 1932 konnte die Great Ocean Road endlich eingeweiht werden, ein schmale Straße, auf der man sommers im Staub erstickte und im Winter durch dem knöcheltiefen Matsch watete. Doch zum erstenmal gab es eine Landverbindung zu den ärmlichen Fischerdörfern, die man bis dato nur mit dem Boot oder dem Maultier erreichte. In den ehemals gottverlassenen Nestern Lorne, Apollo Bay und Port Campbell drängeln sich heute die Urlauber, und verwandeln die Hochburgen des australischen Tourismus in quirlig hektische Pendants von Ibiza oder Mallorca.

McKenzieFalls

„Surf Capital of Australia” nennt sich der Badeort Torquay und schon am frühen Morgen warten die Nimmersatten in Neopren-Anzügen am Bells Beach auf den ultimativen Wellenkamm. Die Brandung an der Südküste Victorias fordert zum Spiel mit dem Meer heraus. Verwandeln sich die Wogen in meterhohe Brecher, dann müssen sich die furchtlosen Wellenreiter vom Kaliber eines Robby Naish beweisen. Sie setzen Mut und Können im Kampf mit den Gewalten auf eine harte Probe. Schon bei diesem Anblick bildet sich unweigerlich eine Gänsehaut, bei vielleicht vierzehn Grad Wassertemperatur schaukeln die Ehrgeizigen stundenlang in den Wellen. Warten auf den Kick des Tages. Da möchte man sich doch eher jener Dame am Leuchtturm „White Lady” in Aireys Inlet anschließen, die angesichts der langsam wärmenden Sonne meinte: „endlich kann ich meine langen Unterhosen ausziehen.”

zwoelf-Apostel

Eine Inszenierung aus gelbem Sandstein und blauem Ozean, die Zwölf Apostel, die Symbole der Great Ocean Road stehen in der Nachmittagssonne. Denn ohne Licht sind sie nichts, nur ein paar hohe Felsklötze im Meer. Und oft bekommt man sie überhaupt nicht zu sehen, wenn der Nebel tagelang drinhängt, und ein schier endloser Sturm und Regen selbst den geduldigsten Besucher vertreiben. Bei strahlendem Sonnenschein können die Felsnadeln wohl nicht entstanden sein, allzu zahm schlagen dann die Wellen gegen den einsamen Strand. Grausam wüten hier die Winterstürme, die gefürchteten Roaring Forties, ein wahres Tollhaus der Natur. Wochenlang schickt die Antarktis ihre eisigen Boten an diese Küste, das Meer peitscht gegen die Felsen, eine menschenverachtende Szenerie. Diese Gewalten formten die Zwölf Apostel, seit Urzeiten bohrt sich das Salzwasser in den weichen Sandstein und trägt seine Ernte zurück ins Meer. Der ewige Wind nimmt jeden Krümel mit, der nicht geschützt liegt, wie ein Mantel legt sich die salzschwangere Luft über die hochragenden Felsnadeln, dauerndes Zerren am Gestein.

An den Gibson Steps geht es hinunter an den Strand, vorbei an lilablühenden pigfaces, die sich in den schroffen Sandsteinwänden festkrallen. Siebzig Meter hoch ragen die Monolithe in den Himmel, mit ungeheurer Wucht knallt die Brandung gegen die Solitäre, die Gischt spritzt mit weißem Schaum nach oben, ein unvergeßlicher Anblick von ungezähmter Natur. „Swimming not recommanded” wirkt irrwitzig, nur für Lebensmüde wäre dieses Schild am Strand eine Warnung.

Mit den beginnenden Sonnenuntergang drängeln sich die Fotofreaks und Romantiker auf der Plattform. „Ich war schon dreimal bei den Zwölf Aposteln”, erzählte ein Taxifahrer in Melbourne, „immer herrschte ein dichter Nebel, man konnte absolut nichts sehen.” Heute ist der Tag X. Wer zuerst kommt, steht vorne. Die Krakelbeine der Stative zittern unter der Schwingung der Plattform, Profis gegen Knipser und japanische Videofilmer. Die Nachzügler müssen auf die glatten Felsen, 300 Meter geht’s dort locker hinunter. „Wissen Sie, ob die Pinguine kommen?” die unbedarfte Frage eines Australiers wirkt irgendwie verfehlt angesichts der allgemeinen Erwartung des einmaligen Naturschauspiels. Gelbrot hängt der Sonnenball über dem Wasser, und wie auf Kommando legt sich eine sanfte Ockerfarbe über die Felsen, die Solitäre beginnen zu leuchten, einsame Kämpfer in der Brandung, den ehemals weißen Sand überzieht ein dunkles Rosé. Und siehe da, mit der Dämmerung tippeln die Fairy Penguins an Land, doch die Kraft der Wellen holt sie zurück ins Meer. Unbeholfen rappeln sie sich wieder hoch und streben erneut dem Strand zu. Man empfindet Mitlied mit ihren tapsigen Anstrengungen. „Ich kann nur zehn Felsen finden“, lamentiert eine Stimme und jeder fängt an zu zählen. Tatsächlich sind nur zehn Apostel zu sehen, entweder hat das Meer schon zwei verschluckt oder es gab nie mehr als zehn. Dann verschwindet die Sonne, ertrunken im Southern Ocean, und eine bittere Kälte kriecht heran, der sternklare Himmel und das frostige Licht des Mond verstärken noch den Eindruck des Eisigen. Am nächsten Morgen, beim Sonnenaufgang ist die Plattform menschenleer, von den Pinguinen sind nur mehr die Fußspuren im Sand zu sehen.

Wechselwirkung von Schönheit und Gefahr, an dieser unberechenbaren Küste verirrten sich zahllose Schiffe, verloren die Orientierung im schlechten Wetter, weil der Nebel das Leuchtfeuer verschluckte und wurden ein Opfer der unsichtbaren Riffe. Shipwreck coast, diese Küste trägt ihren Namen zu Recht, denn bis ins heutige Jahrhundert spielten sich hier unsagbare Tragödien ab, die nur wenige Menschen überlebten. Wie jene beiden Engländer des Dreimasters „Loch Ard“, die der Zufall 1878 durch eine Schlucht an Land spülte, heute Loch Ard Gorge genannt. Viel aktueller zeigte sich die Gefahr, als 1990 der Mittelteil der „London Bridge” einbrach. Die Touristen auf der anderen Seite des mächtigen Felsblockes mußte ein Hubschrauber aus ihrer mißlichen Lage befreien. Als wollten die zerstörerischen Naturgewalten Versöhnung anbieten, endet die spektakuläre Great Ocean Road mit ihren steinernen Wunder und Gruselgeschichten von versunkenen Schiffen in der Bay of Islands, einer langgestreckten, friedlichen Bucht aus weißem Sand. Und nichts paßt dazu besser als jene Gruppe von Malerinnen mit großem Strohhüten und geblümten Sommerkleidern, die diese Idylle mit ihren sanften Wellen in Aquarellfarben aufs Papier bannen.

Dagmar Kluthe

Erschienen in

Bildschirmfoto 2013-08-21 um 17.28.01

Nr. 11 Nov 1998

© Fotos: Udo Bernhart

  1. Einreise: Für Australien benötigt man ein Visum, was mittlerweile von dem Reiseveranstalter oder der Fluggesellschaft beim Kauf der Reise oder des Tickets ausgestellt wird.
  2. Reisezeit: In Australien sind die Jahreszeiten umgekehrt zu jenen in Europa. An Weihnachten ist Hochsommer und auch die Haupturlaubszeit der Australier, so daß touristische Attraktionen wie die Great Ocean Road meist überfüllt sind. Zu empfehlen sind Dezember bis Juli, wobei Weihnachten und Ostern auch viele Australier unterwegs sind. An der Great Ocean Road muß man auch im Hochsommer immer mit dem kalten Wind aus der Antarktis rechnen.
  3. Anreise: Man kann mit Lauda Air über Wien und Kuala Lumpur nach Melbourne fliegen, mit Quantas täglich ab Frankfurt, mit Singapore Airlines täglich ab Frankfurt über Singapore nach Melbourne, mit Cathay Pacific täglich ab Frankfurt über Hongkong.
  4. Unterkunft: Während der Hauptsaison sollte man vorher die Hotels entlang der Great Ocean Road reservieren. Es gibt auch Reiseveranstalter in Melbourne, die diese Küstenstraße an einem Tag abfahren. Sehr beliebt sind auch die Touren auf einer Harley Davidson, entweder als Selbstfahrer oder Kompagnon.
  5. Für alle Auskünfte über Australien gibt es die Aussie Helpline: 0130/ 82 51 82


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