Reisebericht


Bhutan – Land des Donnerdrachens


Veröffentlicht am 12.07.2007 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Asien.
Schlagworte: Abenteuer, Buddhismus, Himalaya, Kloster, Mönch, Tempel, Unberührte Landschaft.


Ein dicker Kieselstein plumpst in die hölzerne Badewanne, zischend und dampfend sinkt er auf den Boden. Noch zwei weitere folgen, wie es das „Hot Stone Bath“ in Bhutan verlangt. Eine uralte Tradition und ein aktuelles Spa-Rezept, denn die Mineralien aus den Steinen entspannen die Muskulatur. Durch das Fenster des Badehauses im Hotel Uma Paro blicke ich hinunter in das Flusstal des Paro. Reisfeldern und Wiesen, weiter hinten beginnen die Berge, von dichten Wäldern überzogen. Harmonie in grün, nur die schneebedeckten Siebentausender des Himalaya halten sich verborgen. Es ist Anfang Juni und die Regenzeit schickt ihre ersten Boten. Dann hängen die Wolken als dunkelgraue Lappen am Himmel.

Bhutan, eingeklemmt zwischen Tibet und Indien, ist stolz auf seine unberührte Landschaft. Eine Luft wie Seide und das Wasser in den Flüssen ist kristallklar. Rund 700 000 Menschen leben in diesem Königreich, das so groß ist wie die Schweiz und wo viele Täler nur mit Packpferden und Yaks zu erreichen sind. Strenge Gesetze schützen die Schönheit Bhutans, sie verbieten die Ausfuhr von Tropenholz, in den Flüssen darf nicht geangelt werden und der Himalaya als Heimat der buddhistischen Gottheiten ist für Gipfelstürmer tabu.

Bhutan-Moenche im Haa-Tal

Eher abschätzig schaut man auf Nepal mit seiner zertrampelten Natur und dem zugemüllten Mount Everest. In Bhutan bestimmt die Religion des tibetischen Buddhismus das Leben und die Götter zu verärgern, bedeutet ein schlechtes Karma. Ein Gebetsraum mit Altar gehört zu jeder Familie, alle Generationen leben unter einem Dach. Die Architektur ihrer Häuser erinnert an den schweizerischen Chalet-Stil, aus Lehmziegeln ist das Erdgeschoß gemauert und die Wohnräume im ersten Stockwerk haben Wände aus dunklem Holz. Das Dach wird mit Schindeln gedeckt und gegen die Fallwinde mit Steinen beschwert. Einzig die palastähnlichen Festungen des Dzongs mit ihren kalkweißen Mauern heben dominant aus der Landschaft hervor, dort sitzt die staatliche und religiöse Verwaltung der einzelnen Kommunen.

Kurz nach neun Uhr morgens zerreißt ein Motorengeräusch die große Stille. Eine Maschine der staatseigenen Druk Air landet in wenigen Minuten in Paro, dem einzigen Flughafen Bhutans. Es wird das erste und letzte Flugzeug an diesem Tag sein. Nur sehr zaghaft lässt sich das „Land des Donnerdrachens“ auf den Tourismus ein, im letzten Jahr durften 12 000 Besucher einreisen. Auch das Visum kann abschrecken, denn ein Tag in Bhutan kostet 200 $. Ob im Hotel abgewohnt oder für einen Trekking-Tag ausgegeben. Vor zwei Jahren eröffnete das Luxushotel Amankora, dann folgte das Uma Paro und ihr Design auf 5-Sterne-Niveau rückte Bhutan plötzlich auf die Liste der Musts. Eine Destination für jene, die schon alles gesehen haben.

Bhutan - Bauersfrau

Doch die Lust auf Neues wird auf eine harte Probe gestellt. Die Hauptstadt Thimphu sind nur 60 Kilometer entfernt und es werden drei nervtötende Stunden. „Hier gibt es keine geraden Straßen“, lacht Fahrer Dorji, “manchmal haben 17 Kurven in einem Kilometer.“ Vorbei am Dzong von Paro, wo Bernardo Bertolucci etliche Szenen seines „Little Buddha“ in den neunziger Jahren gedreht hatte, vorbei am stacheldrahtbewehrten Flughafen geht es auf die Nationalstraße, wo nur ein Bhutaner fahren kann. Vergessen sind Idylle und Ruhe, nun wandelt sich die viel zu enge Straße zum Nachkampfgebiet: schrilles Hupen, Lärm und Staubfahnen. Links der Abgrund ins Flusstal und rechts der Felsen oder der Gegenverkehr der Laster aus dem nahen Indien. Es gleicht einem Wunder, aber es gab weder einen abgerissenen Seitenspiegel noch die kleinste Schramme. Inmitten von diesem Gewühl klopfen dunkelhäutige Menschen, Männer, Frauen und Kinder, auf Steinen. Es sind Billigarbeiter aus Indien, die alle jene Arbeiten erledigen, zu denen die Bhutaner keine Lust haben. Oberhalb der Straßen wohnen die Familien in zerlumpten Zelten und Blechhütten. „ Sie könnten auch im Dorf leben“, sagt Dorij, aber das klingt mehr nach einer Entschuldigung.

Bhutan - dem Samstagmarkt von Thimphu 6

Am Samstag ist Markt in Thimphu, dort trifft sich der ganze Westen Bhutans. Ohne Chili ist ein Essen in Bhutan nicht vorstellbar, in großen Säcken werden die roten oder grünen Schoten angeboten, die ein Einheimischer mühelos roh essen kann. Je kleiner desto schärfer, allein der Gedanke lässt erschaudern. Dazu der landestypische rote Reis und Yak-Käse. Wir bummeln vorbei an Ingwerwurzeln, Kartoffeln, grünem Spargel, Pak Choi und jungen Farntrieben, die als Gemüse gegessen werden.

Unweit vom Zentrum liegt der gewaltige Trashi Chhoe Dzong, von dort regiert König Jigme Singye Wangschuk. Der smarte 52-jährige ist sehr beliebt, denn er stellt das Seelenheil seiner Untertanen über den wirtschaftlichen Erfolg. Ein mutiger Entschluß, denn seine mächtigen Nachbarn Indien und China haben nur das „Geld verdienen“ im Sinn. Mit dem Motto eines „Gross National Happiness over Gross National Product“ reist er, mit Auto oder Pferd, unermüdlich durch sein Land und spricht mit den Menschen. Er möchte ihre Traditionen schützen, aber den Alltag in den entlegenen Tälern erleichtern. Dort gibt es keine Straße, keine Elektrizität, kein fließendes Wasser in den Häusern und 5000 Meter hohe Pässe. Da wirkt das Geschenk eines neuen Spatens oder einer dicken Wolldecke wie ein Geschenk des Himmels.

Doch wie ein schwarzer Fleck auf einer weißen Weste ist die Ausweisung von 130 000 Bhutanern mit tibetischer oder nepalesischer Herkunft, die noch heute in Lagern nahe der indischen Grenze auf die Rückkehr in ihre Heimat warten. Darüber will Karma nicht sprechen, vielmehr hofft er, viele junge Bhutaner auf mehr Liberalität, denn Kronprinz Dasho Jigme Khesar Namgyal Wangschuk wird 2008 den Thron übernehmen. Allzu gerne liebäugelt man mit allem, was von draußen kommt. Das sind Jeans viel begehrter als die Nationaltracht, denn vom König verordnet, müssen die Männer die Tunika des Gho und die Frauen den bodenlangen Wickelrock der Kira tragen.

Vier Autostunden von Thimphu entfernt, liegt die Grenze zu Indien und dort gibt es das neueste Handy, die engen Hüfthosen und knappen T-Shirts, werden die Zigaretten und Alkohol für den Schwarzmarkt geschmuggelt, denn Rauchen und Trinken sind eigentlich verboten.

Karma ist eloquent und wandelt geschickt zwischen den beiden Welten. Ein chices T-Shirt trägt der 30jährige unter dem dunkel karierten Gho, als wir zum Kloster Taktshang in der Nähe von Paro hinauflaufen. Für mich und ein paar indische Touristen ist es ein wahrer Bußgang. Sehr steil windet sich der lehmige Weg nach oben und die ungewohnte Höhe von beinahe 3000 Metern macht kurzatmig. Nach einer guten Stunde erreichen wir ein Teehaus mit einem wunderbaren Ausblick auf den heiligsten Ort Bhutans. Noch immer hängen ein paar Nebelschwaden an den Mauern und geben dem „Tiger’s Nest“ eine Aura des Verwunschenen. Auf einem Tiger reitend, soll Guru Rinpoche, der Begründer des tibetischen Buddhismus, auf den Felsen geflogen sein und in einer Höhle meditiert haben.

Bhutan - Kloster Taktsang

Eine kurze Rast und dann kommen unzählige Treppen, „ 412 Stufen“, lacht Karma und legt sich den weißen Zeremonienschal auf seine Schultern, als wir endlich das Klostertor erreichen. Neunhundert Meter über dem Tal kleben die Tempel auf den Felsen und ohne Anmeldung darf niemand hinein. Drinnen geht es wieder über eine steile Treppe zum Haupttempel. Dort sitzt das riesige vergoldete Abbild des Guru Rinpoche, eingerahmt von den Nebengottheiten der Bodhisattvas. Unzählige Geldscheine liegen auf den Altären und wer etwas dazulegt, wird von einem Mönch mit gesegnetem Wasser beschenkt. Karma trinkt einen kleinen Schluck davon und verteilt den Rest über sein Gesicht. Aus dem Hintergrund dringen das monotone Gemurmel von Gebeten und das Scheppern der Gebetsmühlen. Über 5000 Mönche und 2000 Klöster gibt es in Bhutan, oftmals so isoliert, dass sie nur in Tagesmärschen zu erreichen sind.

Bhutan - Kloster Taktsang 7

Nachdenklich betrachtet Karma die Wolken, die über den Bergen hängen: „ Lass uns das Haa-Tal besuchen“. Erst seit wenigen Jahren ist dieses Tal für Fremde geöffnet, und mal wieder verlangt die Fahrt viel Ausdauer. Schier endlos schraubt sich die einsame Passstraße nach oben, erst durch liebliche Wälder mit rot blühenden Bergazaleen, dann wird die Landschaft merklich rauer, plötzlich hängen dicke Nebel in den Bäumen, deren struppige Äste mit den grünlich-weißen Schleiern des Baumbartes übersät sind. Oben auf der Cheli-Pass, auf 3900 Metern, ist es empfindlich kalt, der Wind zerrt an den zerfransten Gebetsfahnen. Neugierig nähert sich eine schwarz-weiße Yakkuh mit ihrem Kalb, doch schon das zarte Klicken der Kamera versetzt die beiden in Panik und innerhalb von Augenblicken sind sie im Nebel verschwunden.

Karma holt zwei Mountainbikes aus dem Kofferraum, zieht den Gho aus und steht in Radlerhosen und Helm vor mir. Zwanzig Minuten nur bergab, der intensive Geruch von feuchtem Waldboden in der Nase. Ein wenig haben sich die Bewohner des Haa-Tals an diese Radler gewöhnt, doch die Neugierde steht ihnen im Gesicht. Besonders die Kinder sprechen sehr gut englisch, denn es wird von Beginn der Volksschule gelehrt, und da dienen die Touristen gleich als Testmodelle. „Hello, what’s your name?“ Eine einzige breite Straße durchzieht das Dorf, in den Erdgeschossen der Häuser sind die Läden. Spargel, Kartoffeln und Chili werden verkauft, liegen die karierten Stoffballen für Gho und Kira, und natürlich die Souvenirs für die Touristen. Sehr dekorativ und authentisch wäre Pfeil und Bogen, denn Bogenschießen ist Nationalsport in Bhutan.

Auf dem Heimweg sehe ich eine Gruppe von Männern, die mit lautem Gejohle versuchen, auf eine kleine Holzscheibe zu zielen. Längst sind aus simplen Bambusbögen aufwendige Hitech-Geräte geworden und bei den Könnern fliegt der Pfeil über 150 Meter weit. Die Treffer sind nicht zu überhören, ein wahrer Freudentanz wird aufgeführt.

Bhutan-Bogenschiessen 1

Am Abend gehen wir in eine Disco in Paro. Vergessen sind Gho und Kira, nun werden die engen Jeans und gewagte Oberteile getragen. Man zündet sich lässig eine Zigarette an, dazu wird Cola und das lokale Bier „Red Panda“ getrunken. Eine Live-Band aus zwei Gitarristen und einer Sängerin spielen Lieder in Dzongka, der einheimischen Sprache. Die Sängerin in einer eleganten Seiden-Kira ist so scheu, dass sie mit dem Rücken zum Publikum sitzt und den Applaus gar nicht wahrnimmt.

Ein kleines Land auf einer Gratwanderung und noch können die Bhutaner beide Welten vereinen. Doch es werden mehr Hotels gebaut und neue Straßen angelegt, aber wenig scheint die Harmonie im „Land des Donnerdrachens“ zu trüben.

© Fotos: Dagmar Kluthe

Erschienen in

BNN3.53.35

  1. Flüge:
  2. Etihad Airways: www.etihadairways.com
  3. Druk Air: www.drukair.com.bt
  4. Hotel: www.comohotels.com/uma
  5. Bawatours bietet eine Reise Bangkok/Bhutan über 9 Tage für 3890 €. Beinhaltet der Flüge mit Etihad Airways bis Bangkok, Druk Air bis Paro, dazu 5 Nächte im Hotel Uma Paro im Deluxe Zimmer und 2 Nächte im Metropolitan Bangkok, alle Visa-Gebühren und Transfers zu den Flughäfen. www.bawa.de

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