Reisebericht


Auf Brettern durch das kleinste Hochgebirge Europas


Veröffentlicht am 23.02.2011 von Dagmar Kluthe in der Kategorie Europa.
Schlagworte: Freeride, Osteuropa, Skifahren, ursprünglich.


Lomnicky peak is of highest and most visited peaks in Tatras

Am Abend fiel der Regen in endlosen Schnüren vom Himmel und wollte jede Idee von reizvollem Skifahren sterben lassen. Doch der nächste Morgen zeigte sich als prachtvoller Wintertag, nur mehr die Reste von Wolken hingen an den Bergwänden. Die Nässe und dann der aufklarende Himmel mit seiner Kälte hatten die Geländer auf dem Lomnicky Stit in eine weiße glitzernde Sternenwelt verwandelt. Nichts mehr ist zu sehen von dem nüchternen Metall der Aussichtsterrassen auf dem meist besuchten Berg der Slowakei. Kein Wunder, denn diese 2634 Meter können ganz mühelos mit einer Seilbahn erreicht wer den und dann blickt man über die Berge der Hohen Tatra, darunter der Gerlachosky Stit, der höchste Gipfel mit 2654 Metern. Dahinter, im Süden, beginnt die Ebene rund um Poprad.

slowakei - hohe tatra

Die Hohe Tatra gehört zu den Karpaten und liegt zu Zweidrittel in der Slowakei und zu einem Drittel in Polen, das mit seinem Skiort Zakopane punkten kann. Eher unbekannt sind die Orte des Nachbarn, zumindest in Westdeutschland, während viele DDR-Deutsche zum Wandern und Skifahren in die Slowakei kamen. Während des Winters sind deutsche Autokennzeichen eher eine Seltenheit. Auf der Aussichtsterrassen lässt es sich bei -10 Grad nicht lange aushalten, besonders wenn der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee in die Nase dringt. Das Café Dedo in der Berghütte, ganz ungewöhnlich mit kubischen Möbeln eingerichtet, hat Kultstatus in der Slowakei. Jeder muss hier oben gewesen sein, doch mal gerade 50 Minuten sind erlaubt. Dann ruft die Seilbahn aus den 1950-ziger Jahren, die nur Platz für 15 Leute bietet. Außer man bucht das kleine Zimmer für eine Nacht, ganz besonders beliebt bei Honeymooners. Eher spartanisch ist die Einrichtung, aber auf gut 2600 Metern zu schlafen, hat schon seinen eigenen Reiz. Nun lockt aber das Skifahren auf den Hängen des Lomnicky Stit und die Piste reicht bis zu seinem Bergsattel auf 2200 Metern. Hier wartet die steilste und längste Abfahrt in der Hohen Tatra mit knapp fünf Kilometern. Doch viele machen einen Einkehrschwung nach dem ersten Kilometer zur Hütte Skalnate Pleso. Sie ist nach dem kleinen Bergsee benannt, der im Winter inmitten eines tief verschneiten Plateaus mit etlichen Hütten liegt. Dort beginnt ein „freeride“-Abfahrt hinunter zur Francuzska Mulda, der eigentliche Leckerbissen dieser Region. Leider hatte der Wärmeeinbruch in den letzten Tagen viele Steine freigelegt. Die Sonne lockt immer mehr Ausflügler in das Restaurant am Skalnate Pleso, denn durch die Gondeln kann man auch ohne Ski in diese Höhe kommen. Um die Mittagszeit herrscht ein quirliges Familienleben, mit Kindern und Großeltern. Auch Renata aus Bratislava hat mit ihren Tourenski die Hütte erreicht. „Seit dem letzten Jahr ist es sehr chic geworden, an der Piste entlang nach oben zu steigen,“ erzählt sie und im Laufe des Nachmittags werden noch zahllose Skiwanderer auf dem Plateau eintreffen. „Lass’ uns etwas essen,“ und zielstrebig steuert Renata zu einem der rustikalen Holztische im herrlichsten Sonnenschein. Zuerst ein Glas Bier, ein „pivo“ der Marke Saris und dann kommen die gehaltvollen und köstlichen Teigwaren der Slowakei wie „Bryndzové halusky“. Das sind gnocchi-ähnliche Gebilde aus Kartoffeln, die mit einer Soße aus Schafskäse und viel geröstetem Speck serviert werden. Bei der Abfahrt am frühen Samstagnachmittag wimmelt es vor Skifahrern und noch immer drängen Autos auf die Parkplätze. Skifahren in der Hohen Tatra hat noch den Reiz des Unbekannten und ist ein Ausflug in eine Welt, wo die Zeit etwas stehen geblieben ist. Da ziehen sich noch keine Ferienhäuser die Hänge hinauf, einzig die prachtvollen Hotels aus Gründerzeit inmitten biederer Bauten lenken alle Aufmerksamkeit auf sich. Die typisch dunkelgelbe Farbe der Fassaden, durchzogen mit kräftigen Holzbalken, geschmückt mit vielen Erkern und Türmchen. Damals traf sich der Adel des Habsburgerreiches zur Sommerfrische in dem „kleinsten Hochgebirge Europas“. Wie Perlen einer Kette reihen sie sich am Fuße der Berge ent lang und sind die Aushängeschilder der einzelnen Orte wie Tatranska Lomnica mit seinem Grandhotel Praha oder Stary Smokevec. Eine Renaissance feiert das Hotel am Bergsee Strbske Pleso, das 1923 eröffnet wurde, dann in den 1950ziger Jahren als Sanatorium diente und später dem Niedergang preisgegeben wurde. Nach einer vierjährigen Renovierungszeit wird es seit 2009 vom Kempinski geführt. Mit großer Spannung erwartet, ist es rasch zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt geworden. Vor der Tür parken die Geländewagen der wohlhabenden Tschechen, Ukrainer, Ungarn und Polen. Hier ist es gelungen, die charmante Atmosphäre der K. und K.-Zeit wieder zu beleben mit prachtvollen Kristalllüstern, auf wendigem Deckenstuck und imposanten Treppenaufgängen. Die Gegend um den Strbske Pleso, mit 1334 Metern die höchst gelegene Siedlung der Hohen Tatra, könnte die perfekte Werbung für die landschaftliche Schönheit der Slowakei sein. Ein Bergsee, romantisch von Wäldern eingerahmt und im Norden zieht sich ein Dreigestirn von gut 2000 Meter hohen solitären Bergklötzen in die Höhe, Krivan, Solisko und Patria. Besonders der Krivan besitzt einen festen Platz in der slowakischen Seele. In der Folge eines Aufstandes der Ungarn gegen die Herrschaft der Habsburger Ende des 19. Jahrhunderts erwachte an diesem Berg ein gewisses Nationalbewusstsein. Noch heute machen sich am 16. August mehr als 1000 Slowaken auf den Weg zum Gipfel. Der Krivan ist auch auf ihrer Centmünze abgebildet. In diesem Zeitraum regte sich hier der erste Tourismus und es entstanden die Ideen eines „slowakischen Davos“. Den Anstoß gab der damalige Landesfürst Jozef Szentivanigi mit dem Bau einer Jagdhütte am südöstlichen Ufer des Strbske Pleso. Nur wenig später entstanden einige Hotels, Badehäuser und wohlhabende Adlige aus dem Reich der Habsburger ließen sich ihre Sommerhäuser errichten. Mit derelektrisch betriebenen Tatrabahn, die noch heute Poprad mit Strbske Pleso verbindet, entwickelte sich diese Gegend zum bedeutendsten Wintersportort der Hohen Tatra. In den Jahren 1935 und 1970 wurden hier die nordischen Skiweltmeisterschaften ausgetragen und die beiden Sprungschanzen gehören heute zum Wahrzeichen der Region. Auch die Langlaufloipen sind in dieser Zeit angelegt worden und führen sehr anspruchsvoll am Seeufer entlang und über steile Anstiege im Wald. Wir haben Glück, denn gestern wurde ein Wettkampf ausgetragen und die Loipen sind noch gut präpariert. Wie auf Engelsflügeln fühlt man sich getragen, denn die Skier gleiten mühelos über die leicht vereisten Spuren, allerdings die Anstiege verlangen schon den vollen Einsatz des Körpers. Das schöne Wetter hat alle Urlauber an den Berg gelockt und hier unten am See herrscht eine königliche Stille. Nur das Knirschen der Langlaufski ist zu hören.

Hohe Tatra 4
Zum Abendessen verabreden wir uns in der Koliba Patria. Das ist ein Folkore-Restaurant unweit des Sees gelegen, für viele auch eine Abwechslung zum Hotelessen. Von einer Auswahl an Restaurants wie in anderen Skiorten ist man hier noch weit entfernt. In der Koliba sitzt an großen Holztischen mit rot-karierten Tischdecken, eingerahmt von schweren Holzdecken und massiven Balken. Eine Stimmung wie in einer Skihütte, dazu kommen die deftige Teigwaren auf den Tisch, dazu gibt es Rotwein aus der Slowakei und natürlich „slivovica“ der Pflaumenschnaps, oder „borovicka“ eine Variante aus Gin mit Wacholderbeeren. So viele Kalorien schreien geradezu nach Bewegung und am nächsten Morgen fahren wir zum größten Skigebiet der Region, nach Jasna in der Niederen Tatra. Der Berg Chopok mit seinen knapp 2000 Metern bietet viele Abfahr ten unterschiedlicher Schwierigkeit auf seiner Nord- und Südflanke. 35 Kilometer Pisten sind es
insgesamt, wenig eindrucksvoll für einen ambitionierten Brettlfan, aber dieser Berg lockt mit fünf spannenden „freeride“-Abfahrten. So trafen sich die Artisten auf den Skier zur Freeride World Tour in Jasna und die Hänge des knapp 1700 Meter hohen Lukowa hinunter zum Spravodiva Moguls verlangen schon ein beherztes Schwingen. Leider ist auch diese Abfahrt wegen mangelhaften Schnees gesperrt. Ein guter Grund das „Pizza von Roll“ am Gipfel des Lukowa zu besuchen. Das Restaurant, ganz im zeitgenössischen Stil eingerichtet, nutzte das Gebäude einer ehemaligen Seilbahn und nun sitzt man inmitten von Kabeltrommeln und Seilzügen. Auf dem Chopok sieht man kaum Skifahrer aus dem Ausland, es ist immer noch der Berg der Einheimischen, die hier mit ihren Familien das Wochenende verbringen. Eine perfekte Gelegenheit, die Slowaken etwas kennen zu lernen.

Dagmar Kluthe

Erschienen in

Neue Presse

  1. Viele Infos unter
  2. www.tatry.sk
  3. Die Anreise verlangt etwas Geduld. Bis März 2009 konnte man bis Poprad fliegen, dann wurden viele Flüge gestrichen.
  4. Flug nach Bratislava, dann folgt eine dreistündige Autofahrt durch die westliche Slowakei.
  5. Flug nach Krakau und über gute Straßen geht es in zwei Stunden bis in die Hohe Tatra der Slowakei.
  6. Skifahren: Der Skipass für alle Regionen liegt bei 200 € pro Woche in der
  7. Hochsaison. Der Tagespass 31 €.
  8. Es gibt noch viele Schlepplifte, sie werden aber durch Sessellifte ersetzt.
  9. Übernachten:
  10. Hohe Tatra
  11. Es gibt alle Kategorien von B&B bis zum schönen Hotel.
  12. Der Star ist das neue Kempinski Grandhotel. www.kempinski-hightatras.com
  13. die übrigen Grandhotels sind traditionell wie das Grandhotel in Stary Smovekec www.grandhotel.sk
  14. oder Grandhotel Praha in Tatranska Lomnicka. www.ghpraha.sk
  15. Niedere Tatra
  16. Tri Studnicky Hotel – ein sehr hübsches Boutique-Hotel bei Jasna. www.tristudnicky.sk

 


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